Jahreszeitenwörter

Fragestellung von Volker Friebel

 

Während die Silbenzahl in der Welt außerhalb des deutschsprachigen Raums kein Problem zu sein scheint, wird doch häufig ein Jahreszeitenwort verlangt. Da die Ansichten dazu auch bei uns auseinandergehen, wird diese Frage immer wieder mal zum Stolperstein für ein Haiku. Die meisten Haiku lassen sich einer Jahreszeit zuordnen. Soll das deshalb als verbindlich für diese Literaturart gelten? Oder ergibt es sich einfach oft zwanglos aus der Konkretheit des Haiku und seiner Beschäftigung mit der äußeren Realität? Und ist so zwar ein Indiz dafür, dass es sich bei den Versen um ein Haiku handelt, aber nicht wirklich notwendig, da Konkretheit und Beschäftigung mit der äußeren Realität auch anders erreicht werden können?

Konkreter Auslöser für diese Fragen ist die „Marionettenwerkstatt“ von Arno Herrmann. Sie kann als eindeutiges Haiku angesehen werden, da sie eine klare Orientierung im Raum und in der Zeit hat. Wenn jedoch ein Jahreszeitwort als verbindlich gelten soll, ist das Gedicht in Schwierigkeiten.

Marionettenwerkstatt.
Neben dem Teufel hängt
der liebe Gott.

Arno Herrmann

 

Weitere Fragen zum Jahreszeitenwort drängen sich auf: Was ist von den (japanischen) Jahreszeitenwörterbüchern zu halten, die bestimmte Pflanzen, Tiere, Wettererscheinungen einer bestimmten Jahreszeit zuordnen, so den Vollmond dem Herbst, obwohl sie durchaus auch zu anderen Jahreszeiten vorkommen (nur weniger eindrücklich)? Kann eine derartige feste Zuordnung von bestimmten Begriffen zu einer bestimmten Jahreszeit Vorteile bringen, die die Nachteile überwiegen? Was ist mit den unterschiedlichen Zeit- und Klimazonen, die dem zu widersprechen scheinen? Eigentlich müssten ja für jeden Ort der Welt andere Jahreszeitenwörter zu gelten haben. Das Jahreszeitenwort ist neben der Silbenzahl ein leicht festzustellendes Kriterium. Wenn auch das nicht als verbindlich gelten soll, wächst da die Gefahr nicht noch weiter, dass die Grenzen unseres Gedichts zu sehr verwaschen und beinahe alles Beliebige als Haiku durchgehen kann, wenn es nur kurz ist? Oder fördert gerade das die inhaltliche Auseinandersetzung wünschenwert?

 

Eingegangene Beiträge

Von Kigo und Schlüsselwörtern: Angelika Wienert
Das Jahreszeitenwort im Wandel der Zeit: Ruth Franke

 

Ersteinstellung: 13.03.2004