Haiku-Fenster 4

von Ramona Linke

 

Karsee
der Glanz
alter Augen

Helga Stania

Kar – Schüssel, Geschirr; eine sesselförmige Hohlform in den Steilhängen vergletscherter oder ehemals vergletscherter Gebirge, auf dessen Boden häufig ein Karsee liegt.*

Auf einer unserer Wanderungen haben wir den Karsee erreicht. Es ging teilweise steil bergan, wir mussten auf Baumwurzeln achten und später wurde der Weg sehr steinig. Wir folgten den Wegweisern, lasen, was man uns am Wegrand auf Informationstafeln mitgab, verschnauften dann und wann für einen Moment, um den Ausblick zu genießen oder um unseren Durst zu stillen.

Nach ein paar Stunden stehen wir am Ufer des Sees oder etwas weiter oberhalb, in einer Felsnische, auf einem Felsvorsprung. Jetzt können wir den Himmel betrachten, den Himmel über uns und sein Spiegelbild im See. Schweigend aneinander gelehnt, vielleicht, ist auch Platz für Erinnerungen.

Ich treibe auf den Fluten,
Erfüllt von heitrer Ruh,
Und schau‘ dem Spiel der Lüfte,
Dem Tanz der Wellen zu.

Die Sonne strahlt vergoldend
Rings auf der Fluten Blau,
Sie strahlet segenspendend
Auf die begrünte Au.**

 

 

* entnommen der Brockhaus-Enzyklopädie; 18. Auflage – Der große Brockhaus
** Theodor Fontane; aus: Auf dem See

 


 

Helga Stania, *1946, Wohnort: Seit 1990 im Kanton Luzern / Schweiz.

Haiku und biografische Daten sind entnommen aus Lauschen der Bach. Haiku-Jahrbuch 2008. Wolkenpfad, Tübingen, 2009.

Zusammenstellung, Begleittext und Foto: Ramona Linke.

 

Ersteinstellung: 15.11.2009