Foto-Haiku von Wolfgang Beutke (Haiku) und Anne-Dore Beutke (Foto)
mit einem Text von Werner Reichhold
Zum Haiga von Wolfgang und Anne-Dore Beutke
Ich vermute, dieses Foto ist kein Schnappschuss, sondern es ist geplant und durchkomponiert. Es täte nichts zur Sache, sollte ich mich irren. Das Ergebnis ist alles und falls ich im Irrtum bin, sogar bemerkenswerter, nämlich dann haben wir es mit einem weiteren Geheimnis für den Betrachter zu tun, weil der Zufall in den Status von Kunst erhoben wurde: selbstredend auch das wieder kein reiner Zufall, denn die Fotografin hatte ja die Begabung, den Zufall seines Zufalls zu entbinden und ihn im Bild zu manifestieren. Ich schließe daraus, dass der Faltenwurf im Hintergrund nicht zufällig vorgefunden und benutzt wurde, sondern dass er als wesentlicher Teil der Komposition gedacht und arrangiert war. Ich sehe das Foto als ein Konstrukt, als eine künstlerische Konstruktion aus mindestens 3, wenn nicht sogar aus mehr Komponenten – allein, was das Foto betrifft. Das gleichermaßen wichtige Haiku hierbei noch unberücksichtigt.
Jetzt aber kommt es: da sitzt eine Katze. Ich lasse offen, ob die Katze zufällig von Anne-Dore ertappt dort saß oder ob sie fürs Bild dort postiert wurde. Mein Eindruck ist, dass diese Situation geduldig erstellt wurde. Jedenfalls aber suggeriert das Foto etwas Spukhaftes. Die Katze sitzt dort, aber man hat das Gefühl, sie sitzt dort gleichzeitig vielleicht auch nicht. Es ist wie bei „Schrödingers Katze“, als er seine Quantentheorie, seine Quantensprünge nachwies, sie aber nicht sichtbar erkenntlich machen konnte. Das aber verbildlicht jetzt dieses hintergründige Foto eben durch seine fast greifbare Erscheinung. Wir haben es mit einem Stillfoto zu tun, nicht mit Film; aber in diesem Bild scheint ein Bewegungsvorgang mit im Spiel zu sein, nämlich die im Haiku erwähnte, von einem unsichtbaren Kind bei Oma entdeckte Katze könnte auch nur eines Kindes Illusion sein. Hinzu kommt, dass diese Katze offenbar etwas weiß, das wir nicht wissen können. Ihre Erscheinung in diesem Bild, ihre Haltung, ihr Blick belegt es. (Jane und ich, wir leben seit vierzehn Jahren mit einer Bengal-Katze. Wenn der Kater und ich uns lange aus kürzester Entfernung in die Augen schauen suggeriert er mir, dass ohne ihn ich sehr viel weniger vom Leben verstünde.)
Dieses Haiga bietet eine Multimedia-Schau, leitet den Betrachter / Leser zu Symbiotic Poetry, symbiotischer Poesie, wie wir sagen, denn erst das Arrangement von verschiedenen und doch harmonierenden Medien – hier Text, Bild und in ihm Bewegungselemente – allarmiert vielschichtig unser Nervensystem. Genau gesagt, dieses Haiga kann der Betrachter kaum wieder loswerden. Es verbindet uns mit dem Unerklärlichen. In dieser Falle, die über Kunst aufgebaut ist, sitzt man jetzt sehr wahrscheinlich für immer.
Werner Reichhold
Ersteinstellung: 15.06.2013