Haiku aus fünf Jahrhunderten

Buchbesprechung von Volker Friebel

 

Eduard Klopfenstein & Masami Ono-Feller (Hg) (2017): Haiku. Gedichte aus fünf Jahrhunderten. Stuttgart: Reclam. Gebunden, 422 Seiten, 44,00 € (2. Ausgabe 2021: 30,00 €).

 

Bei Reclam denke ich an kleine billige Hefte mit gutem Inhalt. Den gibt es auch hier, aber in einem großformatigen, gebundenen Buch. Masami Ono-Feller hat etwa 300 japanische Haiku (bzw. Hokku) vom 15. Jahrhundert bis in die Gegenwart hinein ausgewählt. Der Züricher Japanologie-Professor Eduard Klopfenstein hat die Texte übersetzt und kommentiert.

Nach dem Vorwort steht auf jeder der folgenden 305 Seiten ein Haiku, deutsch und japanisch, in japanischen Zeichen und in lateinischer Umschrift, sowie ein Kommentar zum Haiku. Die Anordnung der Texte erfolgt chronologisch nach dem Geburtsjahr der Verfasser. Nach den Haiku kommt das Autorenverzeichnis, mit einer drittel bis einer halben Seite Biografie zu jedem Autor. Anschließend stehen drei Seiten Haiku-Glossar mit den wichtigsten Begriffen.

Das Haiku hat sich aus dem Anfangsglied eines Kettengedichts entwickelt. Ono-Feller und Klopfenstein würdigen das, indem sie ein solches Kettengedicht abdrucken, und zwar das im Jahre 1814 von Issa geleitete Kasen „Solch eine“, dessen Hokku auch als Einzeltext Issas im Buch enthalten ist:

Solch eine schäbige Welt –
und doch von blühenden Kirschen
über- und übervoll!

Sehr interessant ist auch der Buchteil vor den verschiedenen Verzeichnissen (Literatur, Autoren, Haiku alphabetisch, Angaben zu Übersetzer und Herausgeberin): „Nachwort – mit einem kurzen Überblick über die Geschichte der Haiku-Dichtung“ von Eduard Klopfenstein. So etwas gibt es mit dieser zeitlichen Spanne bisher nicht. Klopfenstein legt darin eine Neubewertung der bislang eher als minderwertig dargestellten Hokku vor Bashō nahe und gibt einen spannenden Abriss der Entwicklung des japanischen Haiku bis in die Gegenwart.

Aus den aufgenommenen Texten möchte ich keine weiteren hervorheben, gerade die Fülle ist wichtig. Mit der zweiten Auflage hat der Reclam-Verlag, dem schon für die Initiative dieses Werks zu danken ist, den Preis für das Buch deutlich reduzieren können, ohne wesentliche Abstriche bei der Ausstattung zu machen. Zum Buch gibt es eine klare Empfehlung: Eine sehr verdienstvolle Arbeit, der viele Leser zu wünschen sind.

 

Ersteinstellung: 15.12.2017, Bearbeitung anlässlich der 2. Ausgabe: 14.02.2022