Kleiderbügel aus Draht

Angelika Wienert

 

Krähen in Scharen am Alten Kaiserpalast in Kyôto, auf Bäumen, Wegen, bei den Picknicktischen und Papierkörben. Ein Jogger sieht auf seinen Pulsmesser.

Rennen konnte ich im Traum, rennen.

„Kra! Kra! Da kommt sie, die Frau ohne Koffer!“ „Haha, ihr liegt falsch! Mittwoch kam ich an, Samstagmorgen das gute Stück!“ „Erst dann! Kra! Erst dann!“ „Ach, spottet nur, karasu! Ich war im Kaufhaus Takashimaya!“ „Vornehm geht die Welt zugrunde! Kra! Kra! Aber mit uns kannst du nicht mithalten!“ Zum Baumaterial für ihre Nester gehören Plastikabfälle, Kleiderbügel aus Draht.

An einem Nebentor des Palastes kontrolliert ein Beamter Pässe und Anmeldeformulare, eine Verbeugung, dann der Einlass.

In der Mittagshitze wirbeln hundertzwanzig Touristenfüße Staub auf – Zahlen, Namen, Zahlen. Vieles wurde nachgebaut, denn da war ein Brand im Jahre Soundso. Dieser Teil ist noch im Original erhalten.

Per Megaphon:
„DORT LAS MAN GEDICHTE! WAKA!“

Vor dem Ausgang warten in und neben schwarzen Taxis Fahrer mit weißen Handschuhen. Die Wagenpolster sind mit Spitzendecken bedeckt. „Kra!“ Ein Klecks auf der Motorhaube wird schnell entfernt. Autotüren öffnen automatisch. Ah, endlich wieder Kühle! „Konnichi wa …!“

 

karasu = Krähe, Krähen
konnichi wa = Guten Tag!

 

Ersteinstellung: 15.09.2007