Mondholz

Angelika Wienert

 

Frustration und Streit reichten sich in den letzten Monaten die Hände. Warum sollte es im Dezember anders sein …

„Man soll nie alle Schiffe verbrennen.“ Der gut gemeinte Rat am Telefon klingt noch in meinen Ohren, aber sicherlich war da Wut genug gewesen, eine ganze Armada zu versenken. „Da treiben bestimmt noch Ruder im Wasser und vielleicht sogar ein Mast aus Mondholz.“

Die Weihnachtsfeiertage wollen wir an der Ostsee verbringen, verlassen den Ruhrpott mit Koffern und Geschenken.

Am Strand wünschen wir wildfremden Menschen ein frohes Fest. „Ja, wirklich, das Wetter ist herrlich, und es soll bald schneien …“

Kakao mit Rum –
unsere Tischnachbarn
kommen aus Herne

Als wir am nächsten Morgen aus dem Fenster schauen, biegen sich die Kiefern unter der Schneelast. Ist diese Frau mit Pudelmütze die nette Dame aus Dresden, die wir gestern vor dem Fahrstuhl trafen? Auf der Seebrücke nehmen mich Mann und Sohn in die Mitte – alle Last fliegt mit den Möwen davon.

Eine Buchhandlung hat geöffnet, am zweiten Feiertag klingeln hier schon wieder die Kassen. Neben Feng-Shui-Ratgebern und Bildbänden über japanische Gärten entdecke ich ein Haiku-Buch. „Da hat sie ja wieder ihre Haiku …“ Es ist Mondholz, ein ganzer Mast.

 

Ersteinstellung: 05.01.2006