Von Schatten trinken

Buchbesprechung von Volker Friebel

Simone K. Busch (2017): Von Schatten trinken – sipping from shadows. Haiku. Norderstedt: BoD. 129 Seiten, 12,90 Euro.

Nähere Infos und Bestellmöglichkeit: Amazon.

Das Buch liegt gut in der Hand und ist ansprechend gestaltet. Auf jeder Seite steht nur ein Haiku, oben schwarz in der Originalsprache (meist Deutsch), darunter als Schattenschrift in Übersetzung (Englisch), in großer Schrift, zentriert – alles wirkt sehr geschmackvoll. Gelegentlich eine Seite mit einem Schwarzweiß-Foto – die sollte man nicht einfach als Unterbrechung verstehen, die Bilder haben eine ganz eigene Qualität. Zwei Einführungen ins Buch stammen von Gerd Börner und von Catherine Urquhart. Wie das Begriffsverzeichnis hinten im Buch, sind sie meinem Empfinden nach zu klein gesetzt.

„Die Haiku und Fotografien in dieser Sammlung entstanden während eines vierjährigen Aufenthalts in Japan“, schreibt die Autorin am Ende des Bandes. Um Japan also geht es. Und wer etwas über dieses Land erfahren möchte, wird fündig werden. Aber keiner der Texte lebt nur von Exotik:

Was ist Heimat?
In mein deutsches Gericht
einen Spritzer Yuzu

Selbst wenn die unterschiedlichen Kulturen Thema sind, sprechen fast alle Texte Allgemeingültiges an.

Marktfeilscherei
in den Augen des Thunfischs
noch Meer

Sonnenaufgang
ein paar Kiesel am Strand
krabbeln fort

wie er fragend
meinen Namen sagt
warmer Sake

Das sind Haiku im besten Sinne, fast immer die Worte als Bilder gesetzt, mal ernst, mal witzig, mal tief, mal gefühlvoll, immer mit viel weitem Raum um sich und in sich, den sie auch im Leser hervorzurufen verstehen.

Was macht ein gelungenes Haiku aus? Die Texte des Buchs geben viele Antworten – und jede ist richtig. Vielleicht, weil sie alle, auch die witzigen, getragen werden von einer Ernsthaftigkeit dem Leben gegenüber und einer Ehrlichkeit gegenüber sich selbst.

Lavendelduft
ihre Augen auf dem Selfie
geschlossen

Die Welt in ihrer Schönheit und Dürftigkeit anzunehmen, die Träume zu teilen und das Licht. Vielleicht bleiben wir immer im Kreis der Träume gefangen. Vielleicht sind die vielen verschiedenen Bilder, die schönen und hässlichen, die groben und feinen, die tiefen und seichten, nur Rahmen und Eingang eines einzigen Bilds.

Leere Zikade
im nächsten Leben
bin ich frei

Eine unbedingte Leseempfehlung für dieses Buch!

 

Ersteinstellung: 25.04.2017