Ein Gespräch über das Haiku
zwischen Claudia Brefeld und Volker Friebel
Volker Friebel: Wie bist du denn zum Haiku gekommen?
Claudia Brefeld: Da mich Kurz- und Kürzest-Texte immer schon fasziniert haben, war es wohl nur eine Frage der Zeit, dass ich vom Haiku (und auch vom Aphorismus) eingefangen wurde. Während eines Schreib-Seminars 2004 tauchte zum ersten Mal die Aufgabenstellung auf, ein Haiku zu schreiben. Ein grüner Zweig in einer Vase wurde in die Mitte gestellt und als Info gab’s „Naturbeschreibung“ und „5-7-5-Silben-Schema“! Mich interessierte der Schatten des Zweiges mehr, als der Zweig selbst – was mir rückblickend noch heute ein Schmunzeln entlockt. Zum nächsten Treffen brachte eine Seminarteilnehmerin eine kleine Haiku-Anthologie mit – und beim Durchblättern wurde mir schlagartig die Besonderheit des Haiku klar.
Der Weg zur Online-Haiku-Werkstatt des damaligen Hamburger Haiku-Verlags war dann ein sehr direkter. Dort habe ich in kurzer Zeit viel lernen können, der Austausch war zu dem Zeitpunkt sehr rege und sehr informativ – ich habe es genossen! Viele der ehemaligen „Werkstättler*innen“ sind heute noch in der Haiku-Szene unterwegs und bekannt. Über Ekkehard May wurde mein Interesse an japanischen Fachbegriffen geweckt und mein neugieriger Blick über den Tellerrand brachte mich schnell mit William Higginson in Kontakt, ebenso mit Jane und Werner Reichhold, David Cobb und vielen anderen.
Mit den japanischen Fachbegriffen habe ich mich dann nach und nach immer intensiver beschäftigt und dadurch vieles sowohl kulturell als auch geschichtlich leichter einordnen können, inklusive des Zen-Buddhismus. Vom waka (über das renga und renku) bis zum Haiku: der Kontakt mit William hat mir sehr geholfen, ein besseres Verständnis dafür zu bekommen. Der Einstieg in renku und anderen Kettendichtungen eröffnete mir zudem die Möglichkeit eines bereichernden Austausches mit andern Dichter*innen, um Gemeinschaftsdichtungen zu kreieren.
Volker Friebel: Du hast ein Übersetzungsprojekt mit der Haiku International Association (HIA) ins Leben gerufen. Diese Organisation wurde 1989 in Japan gegründet und hat etwa 500 japanische Mitglieder sowie 120 Mitglieder außerhalb Japans. Auch einige Haiku-Gesellschaften sind Mitglied, so die Deutsche Haiku-Gesellschaft (DHG). Willst du etwas über das Projekt und seinen Stand sagen?
Claudia Brefeld: Im Mai 2019 gab es ein DHG-Treffen in Traben-Trarbach, zu dem wir u.a. auch Emiko Miyashita eingeladen hatten. Ich glaube Emiko hat mit ihrer offenen und herzlichen Art schnell alle DHG-Teilnehmenden im Sturm erobert. Kontakte nach Japan hatte ich bis zu dem Zeitpunkt so gut wie keine und als ich nach Abschluss des Treffens noch mit ihr zusammensaß, angefüllt von den Eindrücken und Informationen, waren wir beide sehr schnell der Meinung, dass wir die Kontakte zwischen HIA und DHG intensivieren und dafür Haiku auszutauschen wollten. Es bot sich geradezu an, dafür Haiku aus der HI-Zeitschrift und aus SOMMERGRAS auszuwählen. Wir beide haben dies als besondere Möglichkeit angesehen, um im jeweils anderen Land Interesse für japanische bzw. deutschsprachige Haiku zu wecken.
Und wie heißt es so schön: gesagt, getan. Das Projekt läuft inzwischen seit über 3 ½ Jahren.
Ich suche zehn Haiku aus der HTA des neuesten SOMMERGRAS-Heftes aus, übersetze sie ins Englische und Emiko übersetzt sie ins Japanische. Manchmal hat sie Rückfragen – und das ist interessant und zeigt, wie unterschiedlich auf Grund der Kulturen ein Haiku gelesen und verstanden wird – oder eben auch mal nicht verstanden wird.
Im Gegenzug sucht Emiko zehn Haiku aus dem HI-Journal aus, ich übersetze die englischen Versionen der Haiku ins Deutsche. Zu den ersten fünf Haiku gibt es jeweils eine Besprechung von einem der Vizepräsidenten der HIA. Diese Besprechungen öffnen mitunter kleine Türen! Ab und an schreibt Emiko hilfreiche Erläuterungen zu den anderen fünf Haiku. Und weil ich das große Glück habe, eine Studentin zu kennen, die Japanologie studiert hat, schaut diese noch einmal auf meine Übersetzungen und vergleicht sie mit den japanischen Originalen. Auch das gab bei mir schon manche Überraschung, der ein tieferes Verständnis folgte.
Die Haiku sind jeweils auf der HIA- und DHG-Website zu lesen.
Letztens schrieb Emiko sinngemäß: Ich fühle mich wie ein Passant auf Deutschlands Straßen, wenn ich die Haiku übersetze. Und es ist wunderbar, die Luft dort zu schnuppern!
Mir geht es ähnlich, tauche ich dabei doch für einen intensiven Moment in die Schönheiten und Besonderheiten Japans ein, die Kultur und Land bieten.
Wir beide hoffen, dass sich etwas von diesem Erleben auch bei den Leser*innen in Japan und Deutschland entfaltet!
Zwar sind die deutschen Autor*innen immer begeistert, wenn sie ihre Haiku auf der japanischen HIA-Website sehen, aber ansonsten gibt es eigentlich keine Rückmeldungen bezüglich der japanischen Haiku auf der DHG-Website. Obwohl – es gibt viele Seitenaufrufe zu verzeichnen.
Interessanterweise hat Emiko mir berichtet, dass sie genau die gleichen Erfahrungen macht!
Volker Friebel: Wie schätzt du denn nach deinen Erfahrungen mit diesem Projekt die Diskussion um das gegenwärtige Haiku in Japan ein? Entsprechen die Haiku, die von der HIA in ihrer Vierteljahres-Zeitschrift Haiku International (HI) veröffentlicht werden, etwa dem, was bei uns veröffentlicht wird, im Sommergras (Vierteljahresschrift der DHG) oder auf Haiku heute?
Claudia Brefeld: Da ich mit einigen wenigen Leuten in Japan korrespondiere, habe ich natürlich nur einen bedingten Blick auf solch eine Diskussion. Aber offensichtlich ist Haiku schreiben in Japan sehr beliebt. Sah man es vor Jahren eher als Hobby von älteren Leuten an, scheint es inzwischen große Haiku-Veranstaltungen in Schulen zu geben und auch im Fernsehen ist eine Varietéshow, in der Haiku geschrieben werden, wohl recht beliebt. Ebenso Haiku-Wettbewerbe.
Das gendai-Haiku ist interessanterweise jedoch nicht so lebendig. Selbst von jüngeren Menschen wird zurzeit das traditionelle Haiku stärker bevorzugt. Eine Erklärung wäre, dass auf die heutige moderne Gesellschaft alte Traditionen anziehender wirken.
Mir kommt dazu eine Anmerkung von Kaneko Tota (1919 – 2018), bekannt als Vertreter des modernen Haiku, in den Sinn, die ich letztens gelesen habe. Er äußerte sich zu einer Frage bezüglich der traditionellen Versform schon in den 80igern wie folgt: „Eine feste Form, die von Generationen von Menschen verwendet wird, vermittelt dem modernen Menschen, der entfremdet, frustriert und von Ängsten geplagt ist, das Gefühl von Vertrautheit, Erfüllung und Leichtigkeit“.
Vielleicht nicht unwichtig zu erwähnen wäre noch, dass japanische Haiku-Dichter*innen dem nicht-japanischen Haiku relativ gleichgültig gegenüberstehen. Die Sprachbarriere ist ein starkes Hemmnis, keine Frage. Aber viele traditionelle Dichter*innen sehen fremdsprachige Haiku einfach als eine andere Art von Poesie an. Nun ist es sicherlich so, dass es heute durchaus avantgardistische Haiku-Dichter*innen gibt. Leider kann ich nicht einschätzen, wie stark diese Szene ist. Und sie dürfte zudem in sich vielfältig sein. Ich vermute, es sind gerade diese Dichter*innen, die Sprachbarrieren zu überwinden suchen, um sich in internationalen Kontakten aufgeschlossen und umfassender auszutauschen.
Haiku im HI-Heft sind deutschen Haiku in SOMMERGRAS und auf haiku-heute in gewisser Weise recht ähnlich. Beide greifen durchaus aktuelle und moderne Themen auf. Als wirkliche Unterschiede könnten aber wohl zwei angeführt werden:
HI-Haiku zeichnen sich insgesamt häufiger durch Jahreszeitenbezug aus, wohingegen bei manchen deutschen Haiku eine Tendenz zur modernen Lyrik erkennbar ist.
Aber wie wird ein fremdsprachiges Haiku eigentlich gelesen? Wie sehr unterscheiden sich von Land zu Land die Assoziationen und evozierten Bilder beim Lesen? Ein Fundus an Hintergrundwissen ist sicherlich unabdingbar, aber auch meine tief in mir verwurzelte kulturelle Prägung mitsamt der Umgebung, in der ich aufgewachsen bin, wirken auf mein individuelles Erleben beim Lesen eines Haiku ein.
Wäre dies nicht ein guter Ansatzpunkt, um sich intensiver international auszutauschen und Verständnis und Annäherung zu erzielen?
Volker Friebel: Die Deutsche Haiku-Gesellschaft (DHG), die auch diese Verständigung zum Ziel hat, wurde 1988 gegründet und lange Jahre von Margret Buerschaper (1937-2016) geleitet. In den ersten Jahren nach der Jahrhundertwende hat sie sich von einem konservativ ausgerichteten Freundeskreis zu einer um Offenheit für verschiedene Strömungen bemühten literarischen Gesellschaft verändert (siehe dazu auch das Haiku-Gespräch mit Martin Berner). Du hast Margret Buerschaper persönlich gekannt. Was für einen Eindruck hast du von ihr? Welchen Anteil hat sie an dieser überraschenden Wandlung?
Claudia Brefeld: Ich lernte Margret Buerschaper im März 2010 kennen. Der Anlass war die Auswertung der Einsendungen zum Welt-Kinder-Haiku-Wettbewerb (der JAL Foundation). Margret Buerschaper organisierte damals den Wettbewerb für Deutschland und lud zur Jurysitzung im März ein. Zu diesem Zeitpunkt war ich 2. Vorsitzende der DHG und sehr daran interessiert, nicht nur den Wettbewerb sondern auch Margret Buerschaper näher kennenzulernen, und so beschloss ich, bei der Jury mitzuwirken. Es waren drei intensive Tage in Goldenstedt und ganz nebenbei konnte ich einiges über die DHG vor meinem Eintritt erfahren und auch erspüren. Am Ende hockte ich auf der Sessellehne bei Margret und wir beugten uns gemeinsam über verschiedene Haiku-Bücher und tauschten uns intensiv aus.
Als 1987 das Senryū-Zentrum (Düsseldorf) aufgelöst und die DHG 1988 gegründet wurde, war es Margret Buerschaper, die sich bereit erklärte, den Vorsitz zu übernehmen. Mit ihrem Engagement leitete sie auf ihre Art die DHG. Sie selbst hatte sich stets dem traditionellen Haiku verschrieben, wohl bemerkend, dass sich im Laufe der Zeit in der DHG eine immer stärker werdende, moderne Strömung entwickelte. So war ihre Erkenntnis, dass es „noch manche unleugbare Tatsache und Sichtweise über Haiku“ gibt, die bis dahin in der DHG keine Beachtung gefunden hatten, wohl der entscheidende Anstoß, eine Wende einzuleiten. Eine kleine Passage in ihrer Festrede 2003 lässt aufhorchen
„So bröckelte nach und nach etwas Lack von den hochgelobten Vorbildern und machte einer ernst zu nehmenden Realität Platz. Ich gebe zu, es ist mir nicht leicht gefallen, eine neue Akzeptanz zu lernen.“
und begründet recht deutlich ihren Schritt, den Vorsitz „einem Verfechter des modernen Haiku“ anzutragen. Dieser erste, notwendige Schritt auf neuen Wegen war und ist durchaus bemerkenswert. Der Übergang Buerschaper-Berner legte aber auch gleichzeitig deutlich offen, wie unterschiedlich die Strömungen innerhalb der DHG waren.
Volker Friebel: Es gab das Haiku, das sich als traditionell verstand, was sich am Zählen der Silben und an einem Jahreszeitenwort festmachte. Und einzelne Autoren, die das ablehnten, zum einen, weil sie die Festlegung auf 5-7-5 als Silbenmuster als irreführende Übertragung japanischer Moren in deutsche Silben in Frage stellten (die Texte werden zu lang), zum anderen, weil sie sich aus dichterischen Gründen grundsätzlich nicht auf das Zählen von Silben einlassen wollten und ein westliches Haiku ohne feste Silbenzahl und ohne verbindliches Jahreszeitenwort anstrebten. Mario Fitterer war hier am sichtbarsten.
Claudia Brefeld: Bis zu dem Zeitpunkt, als ich 2007 in den Vorstand gewählt wurde, hatte ich diese Strömungen nicht sonderlich als gegensätzlich empfunden. Sie waren für mich eine aufbauende Abfolge innerhalb der Haiku-Entwicklung. Ich selbst hatte eine Zeit lang im Silbenschema 5-7-5 geschrieben, inklusive Jahreszeitenwort. Nach kurzer Zeit konnte ich die Phase als bereichernde Erfahrung hinter mich lassen.
Im Vorstand angekommen, merkte ich recht schnell, dass diese beiden Haiku-Ausrichtungen sich konträr gegenüberstanden. Im SOMMERGRAS wurde eine Auswahl dahingehend getroffen, dass alle Autor*innen, die Haiku eingesandt hatten, mit mindestens einem Haiku vertreten waren. Es entstanden immer wieder Diskussionen darüber und nach kurzer Zeit einigten wir uns, dass Mario Fitterer, Gerd Börner und ich eine neue Form der Auswahl ausarbeiten sollten (die später in Gestalt der heutigen HTA mündete).
Übrigens: das erste Buch, das für mich radikal neue Türen aufgestoßen hat, war „EOS es ist rot ÜBERHOLT“ (2007) von Mario!
Als 2. Vorsitzende bekam ich dann mit, dass es immer wieder mal Beschwerden gab – und auch deswegen Austritte: einige fanden die DHG zu altmodisch, zu „verstaubt“, andere zu einseitig modern ausgerichtet. Dabei hat ja gerade die HTA eine Möglichkeit eröffnet, sich in die ständig wechselnde Jury einzubringen und mit der Rubrik „Ein Haiku, das mich besonders anspricht“ eigene Überlegungen und Schwerpunkte vorzustellen.
Die DHG entwickelte sich weiterhin solide und ist bis heute für unterschiedliche Strömungen offen geblieben, eine gute Ausrichtung wie ich meine – die ständig wachsende Mitgliederzahl bestätigt dies ja auch.
Volker Friebel: Diese Auseinandersetzung ist insofern entschieden, als die DHG offen für ein breites Spektrum an Haiku-Auffassungen geworden ist. Ich bin sehr froh, dass eine Veränderung erreicht worden ist, die Schreiber von 17-Silbern selbstverständlich enthält und nicht ausgrenzt. Alle sollten unabhängig von ihrer Auffassung dichten und veröffentlichen können. Die Frage, wie weit sich das Haiku moderner westlich Lyrik annähern sollte, braucht auch gar nicht beantwortet zu werden. Dichter sind frei, sie dichten eben. Wohin sich das entwickeln wird, betrachtet man am besten irgendwann im Rückblick und macht es nicht zu einem Plan. Das Haiku in Japan ist kein Block mit einer bestimmten Auffassung, der man sich nähern oder von der man sich entfernen könnte, sondern im Fluss – allerdings mit einer starken konservativen Strömung.
Mario Fitterer nennt die Texte in seinem Buch „Klingendes Licht“ (1996) im Untertitel nicht Haiku, sondern „Heliolithe“. Hubertus Thum sagt im Haiku-Gespräch „Gegen den Strom“ (2022): „Dass hierzulande der Begriff „Haiku“ nicht längst durch einen anderen Terminus wie Kurz- oder Kürzestgedicht, poetische Miniatur, Mikrogramm o.ä. ersetzt wurde, macht mich einigermaßen fassungslos.“
Was meinst du: Sollte man auf die Bezeichnung verzichten oder sie zumindest niedriger hängen?
Claudia Brefeld: Entscheidend ist, ob ich beim Schreiben das Haiku als Ziel vor Augen habe. Natürlich kann ich mich als Nicht-Japaner*in dem japanischen Haiku nur annähern. Aufgrund dieses Ziels würde ich beim Begriff Haiku bleiben wollen. Jede andere Bezeichnung bringt mich weiter weg vom Haiku – und das habe ich zumindest bisher nicht als sinnstiftend oder klärend empfunden. Wohl wissend, dass jede Sprache ihre eigene Besonderheit, ihren eigenen schönen Rhythmus und Klang hat – und damit auch einen eigenen Stil kreiert. So trägt die Einzigartigkeit jeder Sprache sicherlich dazu bei, dass nicht-japanische Haiku sich in gewisser Weise anders darstellen als jap. Haiku. Ein japanischer Haiku-Dichter, mit dem ich korrespondiere, bezeichnet sie als Haiku-Parallelwelt. Eine interessante Definition.
Eine Annäherung impliziert folgende Überlegung und Frage: woran wollen wir uns annähern und wie kann es in die entsprechende Kultur und Sprache transferiert werden?
Da wäre das 5-7-5-Moren-Schema zu nennen, das in der Umsetzung in die deutsche Sprache aber in etwa 14 Silben oder weniger entspricht! Dann das kireji (Schneidewort) – zu dem es im Deutschen kein direktes Äquivalent gibt. Oder nehmen wir kigo und kidai (Jahreszeitenwörter und -themen). Selbst in Japan gibt es verschiedene saijiki für unterschiedliche Regionen (eigentlich nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass sich Japan über eine Gesamtlänge von 2.600 km erstreckt). Und auch die mit den kigo verbundenen kulturellen und ästhetischen Assoziationen machen zusätzlich deutlich, dass sich kigo nicht eins zu eins von Japan auf andere Länder übertragen lassen. Ein Jahreszeitenbezug kann sich dem kigo annähern, aber die konzeptionellen Grundlagen bleiben unterschiedlich.
Von solchen traditionellen Vorgaben abgesehen bleibt eine Quintessenz, die sowohl ein japanisches als auch ein nicht-japanisches (und auch jahreszeitenloses) Haiku auszeichnet: ein anskizziertes Bild, das sich durch die Merkmale Gegenwärtigkeit, Konkretheit, Prägnanz und Offenheit auszeichnet, das Assoziationen auslöst und Reflexionen Raum gibt – und eine optimierte Kürze aufweist.
Je mehr man sich davon löst, desto ernsthafter stellt sich dann allerdings wirklich die Frage, ob es noch als Haiku gelten kann oder ob dafür eine neue Bezeichnung etabliert werden sollte.
Wie schon erwähnt, findet momentan in Japan eine Art Rückbesinnung statt, das Haiku folgt also einem eher traditionelleren Stil. Dies ist selbst bei jüngeren Japanerinnen und Japanern zu beobachten.
Aber es gibt eben auch die avantgardistischen Haiku-Dichter*innen in Japan, die, wenn Sprache keine Barriere darstellt, fremdsprachliche Haiku mit großem Interesse lesen und ihre Qualitäten entdecken.
Volker Friebel: Die Auseinandersetzung über Dichtung kann sicherlich zum besseren Verständnis anderer Kulturen dienen. Und von anderen Kulturen lässt sich viel lernen, habe jedenfalls ich schon viel gelernt.
Doch meiner Auffassung nach ist Dichtung zwar kulturell geformt, stammt wesentlich aber aus dem Herzen und wird von dem auch empfunden, von dieser rätselhaften, mindestens in weiten Bereichen vorkulturellen Instanz, für die der Atem eine vielleicht größere Rolle spielt als die Literaturgeschichte.
Weshalb sollte ich mich einer Gedichtform widmen, die mit einer bestimmten Kultur verbandelt ist? Ich wende mich einer Gedichtform zu, die mein Herz anspricht, die mit meinem Herzen verbandelt ist.
So finde ich es auch in Ordnung, wenn die Japaner sich nicht so sehr um außer-japanische Haiku kümmern. Wenn ihre Suche nach den eigenen Quellen aber nur in die Vergangenheit geht, wiege ich zweifelnd den Kopf. Die Quellen von Leben und Kreativität sind immer in der Gegenwart. Die Vergangenheit kann nur anregen, sie in der Gegenwart zu finden.
Kulturell möchte ich mich gar nicht annähern, sondern das Eigene suchen und finden. Dabei unterstützt und bereichert es mich allerdings, anderes zu hören. Beim Lesen von Bashō und Issa und Buson möchte ich das Fremde wahrnehmen und das Eigene finden – aber ganz bestimmt nicht das Eigene der anderen nachahmen. Denn das wäre nicht das, was sie entdeckt und empfunden haben, es wäre nur eine mehr oder weniger gute Nachahmung.
So tue ich mich auch mit all den Fachbegriffen schwer, ob Japanisch, Lateinisch, US-Amerikanisch oder Deutsch. Mir kommt es vor allem auf die Dichtung an, nicht auf ihre Analyse. Ich will den Apfel, nicht die Auflistung seiner chemischen Bestandteile, die verfeinert mir weder das Kosten noch hilft sie mir beim Pflanzen des Baums.
Und trotzdem beschäftigen wir uns eben auch mit der Analyse von Haiku. Seine Berechtigung hat alles, die Gewichtung ist die Frage. Und die wird der Literaturwissenschaftler anders treffen als der Dichter, und dieser Dichter hier anders als jener dort drüben.
An guter Dichtung kann es nie zu viel geben, an guter Analyse schon. Ich will mehr dichten – und zwar dort, wo die Dichtung herkommt, und das sehe ich weder im Land Bashōs noch im Land Hölderlins, sondern an einem Ort, wo es zwischen Herz und Verstand keinen Unterschied gibt.
Claudia Brefeld: Wie alles in der Kunst ist auch die Dichtkunst durch eine enorme Vielfalt geprägt, die natürlich umso reichhaltiger wird, je mehr Menschen sich darin zu verwirklichen suchen, beschäftigen wir uns doch besonders mit dem, was uns aus den unterschiedlichsten Gründen anrührt oder fasziniert.
Schon vor dem Haiku war ich viele Jahre in der Gattung Lyrik unterwegs. Am Haiku hat mich letztendlich genau das begeistert, was in gewisser Weise eher kulturunabhängig ist – und damit wiederum kulturverbindend. Ich gebe zu, meine Interessen an fremden Kulturen, an Ökologie und Philosophie haben dabei Pate gestanden. Die Konzepte ma (der Raum, der das Erleben formt) und mu (Offenheit der Leere) spielen da für mich eine besondere Rolle. Für beide Begriffe gibt es im Westen kein wirkliches Äquivalent.
Von Kūkai ist folgender Satz überliefert: „Folgt nicht den Fußstapfen der Alten; sucht, was sie suchten“. Bashō hat ihn auf die Haiku-Dichtung angewandt und forderte damit geradezu die enorme Fülle an individueller Umsetzung ein – bis heute eine weit geöffnete Tür für eigene kreative Entwicklungen. Wenn viele Menschen in Japan sich jedoch zurzeit eher an die traditionelle Haiku-Form anlehnen möchten, hat das offenbar einen Grund. In Kulturen hat es ja immer mal wieder ein Vor und Zurück gegeben – je nachdem wie Menschen ihre Gegenwart erleben.
Volker Friebel: Deine eigenen Haiku jedenfalls gehen fast alle von Beobachtungen in der gemeinsamen Welt aus. Ein Beispiel aus dem Haiku-Jahrbuch 2009:
Kinderklinik –
die gelben Malstifte
aufgebraucht
Abstrakte oder rein sprachspielerische Texte finden sich bei dir kaum. Was ist denn dir persönlich beim Haiku wichtig? Wann kommen dir Texte? Weshalb schreibst du sie auf und veröffentlichst sie? Wie ist dein Selbstverständnis als Dichterin?
Claudia Brefeld: Da ich seit langem fotografiere, bin ich gerne gezielt mit der Kamera unterwegs – den spannungsreichen aktuellen Moment entdecken, den richtigen Ausschnitt in einer großen Szenerie erkennen, das Kleine in einem großen Ganzen wahrnehmen. Mit der Kamera bin ich konzentrierter, schaue mit einem anderen Blick auf meine Umgebung: Aufmerksamer, suchender – und zugleich mit einer größeren inneren Offenheit. Nur das Hier und Jetzt ist wichtig. Es hat für mich fast schon etwas Meditatives – es macht den Kopf frei von kreisenden Gedanken.
Die Entstehung eines Haiku hat durchaus Ähnlichkeit damit. Und ist doch auch anders. Ich suche nicht gezielt, es ergibt sich eher unerwartet. Eingebettet in ein Narrativ der Umgebung und des Alltags ist es diese eine kleine Facette, die ich unverhofft erfasse.
Manchmal entsteht nur ein Versatzstück, das ich für mich mitnehme und später mit einem anderen schon vorhandenen Haiku-Teil verbinde. Dies kann auch eine Erinnerung sein. Durch dieses spielerische Verbinden entsteht ein neues Narrativ – mit einem neuen Davor und Danach.
Wie zum Beispiel bei:
ausgezehrtes Land
der lange Schatten einer
Reklametafel
Ursprünglich hatte ich das Bild einer verdorrten Landschaft, dann fiel mir eine alte Erinnerung ein: Auf Reisen quer durch Spanien bin ich immer wieder an den riesigen Reklametafeln in Form eines Stiers vorbeigekommen, oftmals auf einem Hügel angebracht und damit weithin sichtbar.
Hinzu kommt, dass sich die Schwerpunkte solcher Verknüpfungen verändern. Eine große Rolle spielen dabei die Themen, die mich jeweils gerade besonders beschäftigen.
Manchmal fange ich nur Beobachtungen mit wenigen Worten ein und lege sie erst einmal zur Seite, um sie später zu kürzen oder zu ändern. Oder ich stelle beim erneuten Lesen fest, dass alles für mich stimmig ist und genauso bleiben soll. Metaphern sind mir hin und wieder wichtig. Auch der unterstützende Sprachrhythmus ist ein zusätzliches Kriterium, zuweilen lassen sich Alliterationen herausarbeiten.
Das Haiku schreiben macht für mich den Moment, das Erlebte fassbarer – es ist eine Form der Verarbeitung und führt mich stets aufs Neue hin zu einer offenen Wahrnehmung. Das schätze ich sehr.
Ich entscheide oftmals intuitiv, welche Haiku ich zur Veröffentlichung einreiche. Es ist für mich eine schöne Form des Austausches. Im Gegenzug lese ich gerne andere Haiku, um mich in ihre Momente fallen zu lassen. Denn sie alle erzählen eine kleine, individuelle Geschichte.
Besonders reizvoll sind dann für mich Haiku, wenn ich sie mir beim Lesen „erarbeiten“ muss, diese sich also erst einmal „spröde“ geben.
Das nicht gleich Offensichtliche, das nicht wirklich Fassbare – all das hält mich bei einem Haiku und lässt mich immer wieder darin eintauchen, um Neues zu ergründen und zu entdecken. Es ist, als ob ich in eine Stille, in eine Tiefe hineinlausche. In Japan gibt es dafür den Begriff yūgen.
Und sicherlich ist es immer auch ein Erspüren … in mir selbst.
Diese Haiku bleiben mir nachdrücklich in Erinnerung.
Selbstverständnis als Dichterin – ehrlich gesagt, habe ich mich damit bisher wenig beschäftigt. Aber ich kann sagen, dass ich die Freude am Schreiben, Kreieren, Lesen und Austauschen als bereichernd erlebe.
Volker Friebel: Du betreibst seit 2017 ein Netz-Projekt zum Haiga, der Verbindung von Bild und Haiku: Haiga im Focus. Was sollte ein Neuling an die Verbindung von Haiku und Bild herangehen?
Claudia Brefeld: Zwei Dinge: Haiku schreiben, Haiku schreiben, Haiku schreiben (sofern dies nicht schon praktiziert wird) und sich mit Bildaufbau beschäftigen.
Das „Haiku schreiben“ betone ich deswegen besonders, weil dieser Teil des Haiga manchmal (ungewollt) vernachlässigt wird. Als visuell geprägtes Lebewesen wird der Mensch von Bildern angezogen. Dies kann beim Kreieren eines Haiga dazu führen, dass das zu integrierende Haiku nicht immer die gleichberechtigte Bedeutung bekommt, die es aber in einem Haiga unbedingt haben muss. Man kann dies wie folgt selbstkritisch hinterfragen: ist das Haiku, wenn es vom Bild losgelöst gelesen wird, ein eigenständiges Haiku? Oder habe ich einen „haiku-ähnlichen“ Text verfasst, der zum Bild passt?
Um die Wirkung eines Bildes gezielt einzusetzen, sind einige Kenntnisse über den Bildaufbau hilfreich. So steigt unser Blick links ins Bild ein. Das geschieht unbewusst, vollzieht sich innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde. Objekte auf der rechten Seite bauen z. B. beim Betrachten des Bildes eine Spannung auf, der Blick wird von links nach rechts „gezogen“. Symmetrie, Bildformat, Goldener Schnitt, steigende oder fallende Bilddiagonale, Lichteinfall etc. – es gibt sehr viele Möglichkeiten, ein Bild bewusst zu gestalten. Ein weites Feld, gleichzeitig sehr faszinierend. Tipp: schon ein Bildausschnitt kann eine überraschende Wirkung erzielen, auch störende Elemente können so wegfallen. Wichtig ist: ausprobieren.
Des Weiteren ist die Anordnung und Darstellung des Haiku im Bild durchaus wichtig. Also nicht nur einfach eine „freie“ Stelle im Bild suchen.
Volker Friebel: Kannst du etwas zur Entwicklung des Haiga in Japan sagen?
Claudia Brefeld: Da zu Zeiten Bashōs die Kettendichtungen (renku) hoch im Kurs standen, war es eigentlich natürlich, dass mit dem Herauslösen des Startverses (später Haiku) auch das Haiga seine Entwicklung erfuhr. Bebilderte haikai hatte es schon vor Bashō gegeben. Die Malutensilien für Bilder und Kalligrafie waren die gleichen, sodass Haiku und Bild leicht zu einem Haiga kreiert werden konnten. Und es schien fast wie selbstverständlich, die poetischen Verknüpfungsprinzipien der renku-Dichtung beim Haiga anzuwenden.
Die Frage bleibt: was entstand zuerst, das Haiku oder das Bild? Schon damals gab es dazu keine Vorgabe, es entwickelten sich vielmehr verschiedene Varianten. Interessant ist vielleicht noch anzumerken, dass von Anfang an das Haiga auch als Gemeinschaftswerk beliebt war.
3 Kombinationen waren damals verbreitet:
* das Bildnis eines Meister-Dichters mit einem seiner Haiku
* nahezu deckungsgleiche Aussagen von Haiku und Bild
* assoziative Verknüpfung von Bild und Haiku
Buson hat Letzteres perfektioniert. Mir fällt an dieser Stelle ein Haiga von ihm ein, welches ich wunderbar leicht finde.
Das Haiku:
Scheidender Frühling
zusammen im Wagen
heimliches Geflüster (Liebesgeflüster)
Das Bild:
Ein weißgekleideter, barfüßiger Diener, der einen Schirm über die Schulter trägt und auf einer Straße entlanggeht.
Nichts vom Inhalt des Haiku ist auf dem Bild zu sehen, aber der angedeutete verschmitzte Gesichtsausdruck des Dieners strahlt das Wissen um das Liebespaar im Wagen aus.
Volker Friebel: Wie sieht es hier und heute aus? Was ist bei einem Haiga besonders zu beachten?
Claudia Brefeld: In der heutigen Zeit streben wir besonders die assoziative Verknüpfung von Bild und Haiku an – das integrative Haiga. Die Gestaltungsmöglichkeiten haben sich erweitert, keine Frage. Ich behaupte schon mal provokant: wenn es zu Zeiten Bashōs und Busons schon Fotokamera und Computer gegeben hätte – sie hätten sie zur Haiga-Gestaltung eingesetzt.
Im Wesentlichen zeichnet sich das Haiga durch die gleichen Merkmale und Eigenschaften aus wie das Haiku. Die japanische Ästhetik, mit wenigen Mitteln den größten Effekt zu erzielen, gilt insbesondere auch für das Haiga. Die Konzepte ma und mu sind daher in gewisser Weise essenziell.
Vor diesem Hintergrund sollen die visuelle und die poetische Komponente eine neue Einheit bilden, aus der heraus eine Gesamtbedeutung geschaffen wird – und so die expressive Aussagekraft gesteigert wird.
Die sinnliche Wahrnehmung beim Bild und die evokative Kraft des Haiku ergeben dafür ein ideales Spannungsgefüge. Es kann sogar von Vorteil sein, wenn beide eine größere Offenheit beinhalten als sie es für sich allein stehend haben sollten – das „Spiel“ mit Andeutung und Auslassung gewinnt so an Dynamik.
Die Schrift und die Position des Haiku im Bild sollten von Anfang an mitbedacht werden, da sie die oben angesprochene Aussagekraft unterstreichen oder nuancieren und ein nicht unwichtiges Verbindungselement zwischen Bild und Haiku darstellen. Hier kann man die Möglichkeiten des Bildaufbaus einsetzen.
Zum Schluss – für Haiku und Bild gilt gleichermaßen: Lerne die Regeln professionell, damit du sie künstlerisch brechen kannst (Picasso).
An diesem Punkt wird es natürlich richtig spannend.
Ich möchte gerne mit einem Zitat von Werner Reichhold schließen. Ich habe lange Zeit mit Werner im Austausch gestanden (gerade auch in Sachen Fotografie) und er wusste um meine Idee, mich den Industriebrachen fotografisch zu nähern.
Dazu schrieb er mir: „… und dann ist deine Form der vermuteten Wirklichkeit die Allerkostbarste, die sich denken lässt – allein deshalb, weil sie gewählt wurde, ausgewählt wurde, in Übereinstimmung mit einem inneren Geleitetsein.“
Dieses „innere Geleitetsein“ ist ein wunderbares Fundament, wie ich meine – auch und gerade für das Haiku schreiben.
Zur Person
Claudia Brefeld, Jahrgang 1956, grenzübergreifend in Gronau (Münsterland) aufgewachsen, lebt mit ihrer Familie in Bochum und hat als biologisch-technische Assistentin an der Ruhr-Universität Bochum (Fakultät Biologie) in den Bereichen Meeresbiologie, Parasitologie sowie Evolutionsökologie und Biodiversität gearbeitet.
Neben dem Aphorismus entdeckte sie 2004 das Haiku für sich, schnell kamen tan-renga, renku und Rengay hinzu, über die sie viele – auch internationale – bereichernde Kontakte knüpfte. Schon immer war sie mit der Fotokamera unterwegs (mit 14 Jahren bekam sie ihre erste gebrauchte Braun-Gloriette), sodass nach kurzer Zeit ebenfalls das Interesse für Haiga geweckt war, dem sie sich bis heute leidenschaftlich widmet. Das Wandern ist als Passion hinzugekommen, da sie sich gerne draußen in der Natur aufhält – dort hat sie das Gefühl, hinzugehören und innerlich angekommen zu sein.
Ihre Haiku, Kettendichtungen und Haiga sowie Fotos und Aphorismen sind in vielen, auch internationalen Anthologien, Zeitschriften (Online und Druck) wie auch Kalendern, Zeitungen, Programmheften, Kunstausstellungen etc. veröffentlicht.
2007 – 2019 Vorstandsmitglied der DHG
2009 – 2015 2. Vorsitzende der DHG
2009 – 2019 Mitarbeit in der Redaktion SOMMERGRAS
2013 – 2019 Chefredakteurin von SOMMERGRAS
seit 2020 – Mitglied der ÖHG
seit 2017 – Betreiberin der Haiga-Website „Haiga im Focus“
2005 – Gründungsmitglied der DAphA (Deutsches Aphorismus-Archiv)
2007-2012 – Schriftführerin der DAphA
Verschiedene Preise, u.a.:
Erste Plätze beim Annual Heron’s Nest Illustration Contest in 2009, 2010, 2011, 2012 und 2013 in den Kategorien „Front cover“, „Back cover“, „Summer“, „Autumn“, „Overview“
„Honorable Mention“ beim „13th Mainichi Haiku Contest“ 2009
3. Preis beim „Mainichi Annual Selection 2009“
2. Preis beim „16th Mainichi Haiku Contest“ 2012
„Honourable Mention“ 2012 und 2014 und „International Haiku Award“ 2015 beim Vancouver Cherry Blossom Festival – International
Aufgenommen in den Listen „European Top 100 – MOST CREATIVE HAIKU AUTHORS“ IN 2010, 2012, 2013, 2014, 2015
Sechs Haiku von der Autorin selbst ausgewählt
in den Jahresringen
der Kindheit
dürre Tage
Wüstennacht
ich lausche dem Wandern
der Dünen
ich schalte die Kamera
aus …
Misir Carsisi
frühes Licht
ein Reiher
auf dem Hungerstein
im fremden Land
seine Ohnmacht
mitgenommen
Winternacht
Mein Atem verliert sich
zwischen den Sternen
Sechs Haiku der Autorin ausgewählt von Volker Friebel
Behutsam
meine Hand über deine –
ein Schmetterling
Bi dän Vehannel.
Dat Prüümken
van ene Bak in de ännere
Beim Viehhandel.
Der Priem
von einer Backe in die andere
Angelusläuten
Lerchenschwingen
tragen die Sonne höher
Schichtende
das Fabriktor entlässt
lange Schatten
Erste Schreibübung …
Ihre Zunge berührt fast
die Nasenspitze
erstes Licht
die Spitze des Kirchturms
wird zum Falken
Verweise
Netzseite der Deutschen Haiku-Gesellschaft (DHG): https://haiku.de/
Netzseite der Haiku International Association (HIA): https://www.haiku-hia.com/index_en.html
Netzseite Haiga im Focus: https://www.claudiabrefeld.de/Haiga-im-Focus/Start.htm
Haiku von Claudia Brefeld sind in allen Haiku-Jahrbüchern ab 2006 zu lesen:
https://www.haiku-heute.de/jahrbuch/
Rezensionen und verschiedene Aufsätze u.a. über Haiga, Tan-Renga, Rengay, Haiku aus Japan sowie japanische Fachbegriffe sind in Sommergras, haiku novine, Lotosblüte zu lesen
Auf der Website „artgerecht und ungebunden“ ein ausführliches Haiku-Glossar
und auf „Haiga im Focus“ ein ausführliches Haiga-Glossar
Kacian, Jim (monoku), Terry Ann Carter (paper art), Claudia Brefeld (critique) (2021): the endangered c. Playing with language, typography, space. 108 Seiten. ISBN 978-1-947271-87-6
ab Juli 2023 eigene Haiga-Gallerie auf THF Haiga-Galleries
Tipps:
Waltermann, Claudia (2006): Die bebilderte haikai-Anthologie Kagebōshi (1754) : Edition und Analyse. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden. ISBN 978-3-447-05312-9
Addiss, Stephen; Yamamoto, Fumiko Y. (1995): Haiga: Takebe Sōchō and the Haiku-Painting Tradition. Marsh Art Gallery, University of Richmond, University of Hawai’i Press. Honolulu. ISBN 0-8248-1749-4
Addiss, Stephen (2012): The Art of Haiku: Its History through Poems and Paintings by Japanese Masters. Shambhala, Boston-London. ISBN 978-1-59030-886-8
Ueda, Makoto (2003): Far Beyond the Field. Haiku by Japanese Women. Columbia University Press. ISBN 0-231-12863-0
Eigene Haiga und Foto-Tanka (teilweise in Zusammenarbeit mit anderen Autor*innen) auf:
ahaiga
Chrysanthemum
Daily Haiga
einunddreißig
haiku heute
Our best haiga – black & white haiga/haisha
Simply Haiku
World Haiku Association: Haiga Contest
in den Zeitschriften „Albatross“, „Gong“, „Lotosblüte“, „Schreibtisch“, „Sommergras“