Ausgabe Januar 2009

Verschneiter Schönbuch bei Tübingen; Foto Volker Friebel

 


 

hastiges Frühstück
ich öffne die Tür
der Winter fällt ein

Martina Heinisch

 

holterdiepolter!
die Kleinen lauschen
mit den Augen

Roswitha Erler

 

Stille Nacht …
den hohen Ton halten im Chor
der Tage

Helga Niewerth

 

Die alte Leica –
das erste Foto vom Schnee
überbelichtet.

Udo Wenzel

 


 

Klare Januarnacht
auf dem Standstreifen
jault ein Weihnachtsgeschenk

Melanie Anheier

 

Märchenlärchen –
unser Atem
gefriert in den Zweigen

Gerd Börner

 

auf jeder Kugel Urbi et Orbi immer sollte ich knien

Ralf Bröker

 

dezembergrau
im gedränge
ein lächeln

Gabriele Brunsch

 

Schneeflocken über Schneeflocken
stolpernd im heulenden Wind.

Beate Conrad

 

der stern am fenster –
wirft seinen schatten
an meine wand

Bernadette Duncan

 

auf dem tisch das buch
breitet seine flügel aus
ein lesendes kind

Eckhard Erxleben

 

Still ganz still
Umriss für Umriss schluckt
der Nebel

Dieter Gebell

 

Durch den Winterwald
geht der Pfad stetig weiter
Ein Jahr vergeht

Hermann Groteloh

 

Tauwedder –
dr Kendlesbronne
schprudlet schou wieder

Tauwetter –
der „Kinderbrunnen“
sprudelt schon wieder

Angelika Holweger

 

Schuberts Streichquintett –
tiefer und tiefer
der Abendhimmel

Ilse Jacobson

 

Winterabend –
am Kamin knistert
Konfektpapier

Franz Kratochwil

 

in der zeitung
so viel neues
nichts von ihr

Tobias Krissel

 

Weihnachtsmorgen
ich wähle den Weg
ohne Spuren.

Marianne Kunz

 

Winterschlaf
im Teich die Fische starr
der Reiher

Helga G. Lange

 

Früh am Neujahrstag
schmiegt sich in meine Hand
die Türklinke

Hans Lesener

 

Wachs läuft über,
die Flamme wird höher –
Stimmen am Gang

Michael Lindenhofer

 

Bleicher Mond …
Am Fluss entlang gestreift
von deinem Echo

Ramona Linke

 

Verschneiter Garten …
Umhüllt vom Klang
der Steinkaskaden

Ramona Linke

 

Mit stürmischem Ritt
in wildester Winternacht
ohne einen Stern

Horst Ludwig

 

Winterabend –
ein Krähenschwarm zieht
über den Mond

Ina Müller-Velten

 

Im Schneefall gehen …
die Leere schließt sich
hinter mir

Marion Naumann d’Alnoncourt

 

schneenacht
zum morgen hat sie
das weiß geboren

René Possél

 

ausgeblichene
Netze – Fischer flicken
das Abendrot

Gabriele Reinhard

 

adventmorgen –
aufschauen zur kuppel
des wolkendoms

Helga Stania

 

Die Schatten der Berge
fließen langsam
ins Meer

Joachim Thiede

 

Schlaflos.
Schwarze Schafe
queren den Mond.

Felicitas Christine Vogel

 

Schweigen am Himmel
und der Duft des Pflaumenbaums.
Zwei Katzen streiten.

Barbara Zeizinger

 

Vom 1. bis zum 31. Dezember 2008 gingen für die Monatsauswahl Haiku heute 184 Haiku von 43 Autoren ein. Ich habe 32 ausgewählt, vier davon als besonders gelungen. Diese Vier stehen vorn, so wie die Folge mir passend erschien. Die Texte dahinter sind nach den Autorennamen alphabetisch geordnet. Von jedem Autor wurden höchstens zwei Haiku aufgenommen.
Volker Friebel