Ausgabe Januar 2011

Fichtlein im Schnee, Oberes Donautal; Foto Volker Friebel

 


 

Frostiger Morgen –
ein Hase haucht
in den vollen Mond

Gerd Romahn

 

Ladenschluss
der Tag verschwindet
im Nachttresor

Friedrich Winzer

 

weihnachtsmarkt
bei den krippen
nimmt er die mütze ab

Bernadette Duncan

 

Stille Nacht …
ihre brüchige Stimme

Gerda Förster

 

„Vom Himmel hoch …“
Der Tauben Schattenflug
durchs bunte Glas

Marianne Kunz

 

schneegestöber die wirren worte der alten

Tobias Krissel

 


 

Weihnachtssingen –
das Feuer der Baumlichter
in allen Augen

Christa Beau

 

Herbstnebel –
ich folge dem Licht
meines Wagens

Ralf Bröker

 

Silvesternacht –
allein unterm Mistelzweig
mit ihrem  Foto

Cezar-Florian Ciobîcă

 

Schaufenster –
das Licht des Schnees
unter Mannequins

Cezar-Florian Ciobîcă

 

Nach der Christmette
behutsamer das Funkeln
im Schnee betreten

Andrea D‘Alessandro

 

Am See –
die Kreise unserer Steine
vereinen sich

Andrea D‘Alessandro

 

tannen
immer noch tannen
im schnee

Bernadette Duncan

 

Beim Krippenspiel Maria rückt ihren Bauch zurecht

Roswitha Erler

 

den daumen am puls
warten auf den nächsten schlag
noch immer schneit es

Eckhard Erxleben

 

Weihnachtsmorgen.
Beim Klang von Kirchenglocken
die Gans zunähen.

Brigitte Flicke

 

Dämmerstunde –
in unser Schweigen fällt
der erste Schnee

Gerda Förster

 

Vernissage
an der weißen Wand
Flecken

Hans-Jürgen Göhrung

 

Winterabend
ihre Zwiesprache
mit seinem Foto

Hans-Jürgen Göhrung

 

Raureif
zwischen unseren Worten
Silvesterglocken

Angelika Holweger

 

über verschneiten Bäumen die Farben der Sterne

Angelika Holweger

 

In den Nebel …
das Feuer
der Amaryllis

Ilse Jacobson

 

Chapeau Claque –
im Lidschlag des Kindes
der Großvater

Simone Knierim-Busch

 

Morgenläuten …
im leeren Zimmer
die Eisblumen

Simone Knierim-Busch

 

Silvester – zu den alten Schatten neue

Matthias Korn

 

Abendrot –
das Glühen im Ofen
der Mutter.

Tobias Krissel

 

Kalter Wintermorgen –
teile mit den Spatzen
das letzte Brot

Jörg Lein

 

mondlose Nacht
im Schnee versunken
das Kratzen des Pfluges

Ramona Linke

 

Schneetreiben …
sie kalligrafiert
Schweigen

Ramona Linke

 

Epiphanias.
Eiskristalle fegen’s Fell
der toten Hirschkuh.

Horst Ludwig

 

heller ist die Nacht seit der Schnee fiel

Ina Müller-Velten

 

Ausländeramt –
die Stirnabdrücke auf den Fenstern zur Innenstadt

Ina Müller-Velten

 

Wintersonne
das Weiße im Auge verbirgt sich
vor endlosem Weiß

Rudi Pfaller

 

zugverspätung.
eine welt
öffnet sich.

Tihomir Popovic

 

das jahr beginnt
aus dem neuschnee lugt
mein alter stiefel

René Possél

 

die alte buche
mit gewachsen
auch ihre narben

René Possél

 

aufgebrochener Fußweg
im Sand zwischen Fliesen
spielt ein Kind

opgebroken voetpad
in het zand tussen tegels
speelt een kind

Marie-José Quartier-Van Uffelen

 

Neujahrsmorgen
sie entfernt
den roten Nagellack

Gabriele Reinhard

 

Spuren von Kinderfüßchen
dicht an dicht
die dampfende Herde

Gabriele Reinhard

 

Kartenraum –
eine Fliege überquert
den Atlantik

Gerd Romahn

 

Abendwindstille …
Schauen, wie die Flüsse
sich mischen

Helga Stania

 

Laub weht
aus hölzernem Brunnen
Licht schöpfen

Helga Stania

 

3 läuse
im waschbecken: 1, 2, 3
die augen zugemacht!

Thomas Steiner

 

Zug nach Hause
ich erwache in den Augen
einer Fremden

Dietmar Tauchner

 

Bepackte Menschen
ein Bettler hält die Türen
im Parkhaus

Hannah Wilhelm

 

Vom 1. bis zum 31. Dezember 2010 gingen für die Monatsauswahl Haiku heute 264 Haiku von 52 Autoren ein. Ich habe 44 ausgesucht, und 6 davon besonders hervorgehoben. Diese Sechs stehen vorn, in willkürlicher Reihenfolge. Die Texte dahinter sind nach den Autorennamen alphabetisch geordnet. Von jedem Autor wurden höchstens zwei Haiku aufgenommen.
Volker Friebel