Rezension „Ein Haiku für die Leiche“ von Manfred Eichhorn

Volker Friebel

Manfred Eichhorn (2020): Ein Haiku für die Leiche. Kriminalroman. Gmeiner-Verlag, Meßkirch. PapierBuch: 233 Seiten, 12,00 €, eBuch: 9,99 €.

 

Eigentlich mag ich keine Krimis. Und wundere mich, woher diese Lust an Gewalt, Gerechtigkeit und Ermittlungsarbeit kommt. So viele Leichen wie Buch und Fernsehen verlangen, gibt es doch gar nicht! Unser Ehrgeiz zu kombinieren und aufzuklären wäre in anderen, realen Gefilden unseres Lebens wesentlich sinnvoller beschäftigt.

Ich seufze, greife mir an die Nase und beuge mich über das Buch. Denn mir bleibt gar nichts anderes übrig, als mich mit ihm zu beschäftigen.

Beweisstück 1: Haiku kommen vor.

Beweisstück 2: Der Fall beginnt mit einem toten Luchs im Schönbuch bei Tübingen. In Tübingen wohne ich, im Schönbuch wandere und schreibe ich fast täglich, und auch wenn im Buch das Kommissariat gegenüber der Presse deren Existenz heftig bestreitet, ich glaube, ich habe dort tatsächlich schon mal einen Luchs gesehen – oder doch Gerüchte um einen solchen gehört.

Beweisstück 3: Der Fall führt nach Ulm, und dort nach Söflingen, ausgerechnet! Eine Zeit lang erwartete ich fast, im Buch gleich meinem Schwager zu begegnen, der dort lebt und gelegentlich Haiku notiert.

Beweisstück 4: Das Buch wurde von Manfred Eichhorn geschrieben, einem pensionierten Ulmer Buchhändler, der 2006 ein sehr gutes Buch veröffentlicht hat – beim Silberburg-Verlag, damals noch im Schönbuch angesiedelt: „Jemand klopft an mei Herz. Schwäbische Haikus“ heißt es. In meiner damaligen Rezension (im „Sommergras“, ich setze sie zu dieser Gelegenheit in haiku-heute.de) finde ich neben wunderschönen Haiku allerdings auch meinen Kommentar: „Die ‚Theorie‘ steht ganz kurz im Nachwort, man vergisst sie am besten gleich wieder, die ‚Praxis‘ ist viel besser gelungen.“

Nach all den Beweisstücken bin ich fast überzeugt und freue mich auf den Krimi.

Der Luchs, dessen Pfoten abgetrennt wurden, hat einen Vorgänger in einem toten Uhu – und die Reihe der Morde, man kann sagen Ritualmorde, beginnt damit erst. In Ulm kommt ein totes Mädchen dazu. Die Ermittlungen tappen lange im Dunkeln.

Darüber will ich nun aber gar nichts verraten, sondern nur sagen:

Der Krimi braucht etwas, um in Fahrt zu kommen, schafft das aber dann locker.

Das Buch ist einem „Ersten Kriminalhauptkommissar a.D.“ gewidmet, der Leser darf also annehmen, nebenbei einiges über echte kriminalistische Ermittlungsarbeit zu erfahren.

Jeder Leiche, es werden noch mehr, ist ein Haiku beigelegt, das von einem japanischen Original adaptiert wurde.

Der Autor führt auch kurz in das Haiku ein. Das Verhältnis von Theorie und Praxis hat sich allerdings seit seinem Buch von 2006 nicht sehr verbessert.

Am besten gefallen mir gar nicht mal die durchaus mitreißenden Handlungsabläufe, sondern die Art und Weise, wie der Autor über eher ruhige Schilderungen die unterschiedlichen Denkweisen und Weltsichten von Menschen nahezubringen weiß.

Am Ende sind nicht nur die Morde aufgeklärt, sondern ich muss mir verwirrt eingestehen, dass mir der Krimi gefallen hat. Wer hätte das gedacht!